Was bedeutet es für mich Trans zu sein?

Im Dezember 2021 habe ich mich als Trans geoutet und seitdem einiges erlebt, durchgemacht und gelernt. Doch was bedeutet es Trans zu sein? Dieser Frage möchte ich heute nachgehen.

Eins noch vorweg. Dieser Blogbeitrag dreht sich nur um mich. Nur weil etwas auf mich zutrifft, bedeutet es nicht, dass es auf andere Transpersonen auch zutrifft. Jeder Weg ist anders, deswegen darf man von meinem Weg nicht auf andere schließen.

Fangen wir mal ganz am Anfang an, was ist eigentlich die Beschreibung von Trans? Die Definition von der Seite Trans-inter-beratungsstelle.de lautet wie folgt:

„Trans* ist ein Überbegriff für Personen, die sich nicht oder nur teilweise mit dem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht identifizieren. Das Wort trans kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „jenseits/darüber hinaus“. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Selbstbezeichnungen, die in verschiedenen Kontexten und Zeiten entstanden sind. Beispielsweise gibt es Begriffe wie transgender, Mann bzw. Frau (mit trans* Vergangenheit), nicht-binär, transgeschlechtlich, transident, transsexuell und weitere (siehe unten). Grundlegend wichtig ist es, Menschen nach der eigenen Selbstbezeichnung zu fragen und diese zu respektieren.

Manche trans* Personen möchten geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen oder eine Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrags. Andere möchten keine oder nur bestimmte medizinische Maßnahmen oder ändern ihren Namen nicht

Anmerkung: Trans* Personen können sowohl dyadisch/endo als auch inter* sein.“

Das fasst das gröbste schon einmal gut zusammen. Ich sehe das Ganze auch eher noch als Spektrum, um es etwas besser darzustellen. Hierfür nehme ich die Binäre Ansichten Mann/Frau als Eckpfeiler.

(trans)Mann——–Nicht-Binär——(trans) Frau

Damit will ich sagen, dass es nicht nur die 3 Binären Ausrichtungen gibt, mit der Nicht-Binär in der Mitte, sondern es noch etliche Abstufungen dazwischen gibt. Da ich aber mit diesen Abstufungen nicht sonderlich gut vertraut bin und es in dem Blogbeitrag auch primär um mich geht, werden wir uns damit nicht befassen. Sollte doch Interesse daran bestehen, so komme ich im Laufe des Artikels noch dazu, wo man weitere Informationen herbekommt.

Kommen wir nun zum eigentlichen. Wie fing es bei mir an und wie erkannte ich, dass ich trans bin?

Geboren wurde ich 1990 und aufgrund meiner körperlichen Merkmale, hat man mich dem männlichen Geschlecht zugeordnet. So wurde ich auch behandelt und großgezogen. Mittlerweile ist mir rückblickend einiges klar geworden, leider habe ich das ganze erst spät verstanden und mich noch später getraut zu meinem eigentlichen Ich zu stehen.

Mit meinen 1,73 m Körpergröße entspreche ich zwar offiziell dem männlichen Durchschnitt, aber doch nicht so ganz dem allgemeinen männlichen Standard. Ich war immer sehr dünn, keine sonderlich große Schulterbreite, meine Hände zum Teil kleiner und feiner als bei manch einer Frau, (zum Glück) keine sehr starke Körperbehaarung und war auch meist eher zurückhaltend und schüchtern.

Im Allgemeinen war ich auch vom weiblichen fasziniert und konnte mich eher mit den Frauen wie mit Männern identifizieren. So habe ich vorwiegend, wenn es ging, bei PC-Spielen einen weiblichen Charakter genommen, da ich mich damit wohler gefühlt habe wie mit einem männlichen.

Das erste Mal wurde es mir aber in der Ausbildung klar, dass ich eigentlich trans bin. Als mein damaliger Mit-Azubi mal wieder von einer Freundin rausgeschmissen wurde, meinte mein Chef Scherzes Halber, dass er mir ja eine Geschlechtsumwandlung finanzieren könnte, damit der Mit-Azubi so jemanden hätte. Mein inneres Ich schrie in dem Moment „JA!!!“, aber zugestimmt habe ich dem ganzen nicht. Das war, glaube ich, so ca. 2009. Transpersonen per se waren in meinem Leben nicht präsent, in der Schule gelernt hatte ich dazu nichts und ich hatte Angst vor den Folgen in meinem Umfeld. So hatte ich keine Ahnung, wer wie reagieren würde, hätte ich dann noch Freunde? Wie würde es die Familie aufnehmen? Wie würde es auf der Arbeit weiter gehen? Würde ich nach der Ausbildung übernommen werden oder auf der Straße stehen?

All das hat mich verunsichert und ich habe das Ganze in das hinterste Eckchen meines Hirnes verbannt, da ich es nicht wahrhaben wollte. Das Ganze ging auch einige Jahre gut. Ich konnte das Thema verdrängen und keiner hat was in meinem Umfeld bemerkt.

Etliche Jahre später jedoch kam ein Moment, da hätte ich mich schon eher akzeptiert, doch es sollte nicht klappen. Ich weiß nicht mehr, wie das Gespräch gestartet ist, aber es ging um Transpersonen. Meine damals besten Freunde waren sich einig, dass solche Leute „Krank“ sind. In mir schrie es „Das bin ich nicht. Wir sind alle nur normale Menschen.“, aber auch hier habe ich es nicht über mich gebracht zu mir selbst zu stehen. Wieder konnte ich es ein paar Jahre lang verdrängen. Doch dann fingen die Probleme irgendwann an. Eine von Jahr zu Jahr lauter werdende Stimme fing in mir an, mir zu sagen, dass der aktuelle Ist-Zustand falsch ist. Die Stimme wurde immer lauter und lauter. Auch wurde vieles, was mich an meinem Körper störte, immer bemerkbarer.

So habe ich angefangen zu recherchieren und mich in Artikel einzulesen, um irgendwie herauszufinden, was mit mir ist. Ich nahm Kontakt zu einer Selbsthilfestelle auf und besprach mit der alles. Das war dann der Punkt, an dem ich erkannt, was und wer ich eigentlich bin.

Damit war ich am Anfang einer langen, noch immer nicht abgeschlossenen Reise. Als ich mich nun endlich selbst akzeptieren konnte und nun wusste, dass mein äußerstes Ich falsch ist, begann ich mich damit zu outen. Hier hatte ich das Glück, dass mein Umfeld super ist. Es wurde gut aufgenommen, ich habe vielseitige Unterstützung erfahren und bisher gab es in der Familie, bei Freunden und auf der Arbeit keine großen Probleme. (Gejubelt, dass ich trans bin, wurde natürlich nicht.) Mein inneres Stimmchen, welches mich zuletzt angeschrien hatte, wurde von jetzt an immer stiller und ist mittlerweile verstummt.

Nur vom Outing jedoch wird das ganze jedoch nicht besser. Damit habe ich als Erstes eine psychologische Stelle gesucht. Dank der Selbsthilfestelle hatte ich eine Liste mit möglichen Ansprechpartnern. So versuchte ich es zuerst in Darmstadt. War nahe und laut den Öffnungszeiten hätte es theoretisch super wegen der Arbeit gepasst. Ergebnis, sie stellt den Bereich ein und kann mich dementsprechend nicht aufnehmen. Gibt mir aber von Frankfurt eine Nummer, dort soll ich es doch mal versuchen. Das habe ich auch getan, bzw. versucht. Etliche Mails geschrieben und versucht per Telefon die Stelle zu erreichen. Erst nach einigen Versuchen kam ein Kontakt zustande. Ich solle an eine bestimmte Mail-Adresse schreiben, um einen Termin zu bekommen. Es hätte sich hier Gesprächskreis betroffener Personen gehandelt.

Ich nehme, was ich bekommen kann, also Mail geschrieben und warte noch heute (mittlerweile seit 2 Jahren) auf eine Antwort. Zeitgleich hatte ich es bei einer anderen Stelle, ebenfalls in Frankfurt, versucht. Sie konnte mir nicht sofort einen Termin geben, da sie aktuell komplett ausgebucht war, aber ich könnte in 3 Monaten einen Termin haben. Dem habe ich zugesagt und auch, wenn sie mittlerweile nach Mainz umgezogen ist, bin ich ihr treu geblieben, da ich mit ihr sehr gut klarkomme und mich verstanden fühle.

Ich habe mit ihr mein komplettes Leben durchgesprochen und dabei sind mir immer mehr Anzeichen aufgefallen und ich bin mir immer sicherer geworden, dass dies der richtige Weg ist.

Dank der Zusammenarbeit mit Mainz konnte ich nun den nächsten Weg gehen. Mit dem Indikationsschreiben in der Tasche bin ich bei den Endos aufgeschlagen. Wie da meine Erfahrungen waren, habe ich schon in einem anderen Artikel geschrieben.

Als weiteren Schritt, war mir klar, dass mein Bart wegmuss. Einige mögen sich noch daran erinnern, dass ich einen Kinnbart getragen hatte. So 100 % freiwillig hatte ich den nicht getragen. Es kam eher, weil mich viele für sehr jung hielten und mich nicht so ganz männlich wahrgenommen hatte, weswegen der im Grunde stark wegen des sozialen Druckes kam. Ihn nach dem Outing zu entfernen, war eine optisch starke Änderung, aber eine, die gutgetan hatte.

Doch jeder kennt es, rasieren alleine hilft da nichts. Also habe ich von meiner Therapeutin eine Praxis in Frankfurt empfohlen bekommen, welche Erfahrung mit Transpersonen hat. Dort einen Termin ausgemacht, einen super lieben Arzt getroffen, von ihm alles erklärt bekommen und beschlossen mich in seine Hände zu begeben. Wie zu erwarten ist, passiert das Ganze nicht kostenlos. Als Transperson mit entsprechender Diagnostik kann man jedoch von der Krankenkasse die Kostenübernahme beantragen. Dies habe ich gemacht und bin das erste Mal an bürokratischen Hürden gescheitert.

Die Krankenkasse hat von mir alle Unterlagen erhalten, dies an den Medizinischen Dienst weitergegeben und nach Wochen des Wartens kam eine Ablehnung. Die Dame der KK, welche mich vor der Absage angerufen hatte, war jedoch zum Glück auch eine der guten. Obwohl aus rechtlichen Gründen noch immer als Mann eingetragen, hatte sie mich von sich aus schon als Frau angesprochen und mir dazu geraten, Einspruch einzulegen und es noch ein zweites Mal zu versuchen.

Als die Ablehnung nun da war, habe ich nachgesehen, was der Grund für die Ablehnung war. Daraufhin habe ich den Hautarzt angeschrieben, ihm die Probleme mit dem MDK geschildert und von ihm einen Beleg erhalten. Mit diesem und ein paar weiteren Unterlagen (meiner Meinung nach mehr wie sie eigentlich bräuchten) habe ich Einspruch eingelegt und eine erneute Kostenübernahme beantragt.

Siehe da, dieses Mal hat es geklappt und ich habe die Zusage erhalten.

Damit habe ich inzwischen einen Termin ausgemacht und bald werde ich in den schmerzhaften Genuss einer Bartentfernung kommen. Wie ich mich darauf freue. -.-

immerhin werde ich den störenden Bart los, welcher bei der Selbstwahrnehmung und der anderer Personen auf einen stört.

Wer jedoch denkt, das klingt doch alles nicht so schlimm, was wollen die Transpersonen, das ist doch alles super einfach und geht doch ganz schnell und billig?

Nein, geht es nicht. Zum Vergleich, zu meiner Therapeutin muss ich über 50 Km fahren, was ich aus eigener Tasche bezahlen muss. Genau wie die über 70 Km zur Endokrinologie und den fast 50 Km zum Hautarzt. Dazu kommen später noch weitere Fahrten und Aktionen. Man besucht Selbsthilfegruppen, um mit den gesellschaftlichen Zwängen und Druck klarzukommen, es werden neue Klamotten etc. benötigt. Also schon, wenn es gut läuft, hat man einiges an Kosten. (Vom Zeitaufwand ganz zu schweigen.) Und wie gesagt, es dreht sich hier um meinen Weg.

Von einigen anderen weiß ich, dass sie mehr Probleme haben, entsprechende Stellen zu finden, weitere Wege zurücklegen müssen, die KK nichts übernimmt und mehrere tausend Euro für Behandlungen bezahlt werden müssen. Ich hatte einfach nur Glück bisher.

Wir haben jetzt also uns mal den groben Weg angesehen, doch was passiert hier teils im Einzelnen dazwischen und was für Probleme gibt es?

Ich hatte ja schon geschrieben, dass ich auf meinem bisherigen Weg viel Glück hatte, doch nicht jedem ergeht es so. Manche verlieren den Kontakt zu Familie, Freunden und Arbeit. Sie werden aus ihrem Leben geschmissen und stehen vor dem Nichts, weil sie sind, wie sie sind. Die teils immensen Kosten machen manche komplett fertig, einige haben solche Probleme mit ihrem Äußeren, dass sie sich vor sich selbst ekeln und andere werden von der Gesellschaft bis in den Selbstmord getrieben.

Falls ihr euch nun fragt, wie ich damit klarkomme. Es sind genau zwei Sachen, welche mich vor dem schlimmsten bewahren.

1. Ich habe ein offenes (Nerds sei Dank) und tolerantes Umfeld und möchte mich damit bei allen bedanken, die mir zur Seite stehen.

2. Ich bin absolut pragmatisch. Eine eigentlich absolut simple Eigenschaft hat eine deutlich hervorragendere und schützender Wirkung wie ich sie mir je hätte erträumen können. Der Pragmatismus schützt mich dafür zu viele Probleme mit meinem aktuellen Körper zu bekommen. Ich nehme viele Probleme gelassener hin und komme allgemein mit div. Situationen dadurch besser klar.

Diese zwei Sachen sorgen dafür, dass ich mit der Situation besser klarkomme, wie manche anderen. Auch haben viele sich untereinander vernetzt und wir helfen uns so gut es geht weiter. Das ist auch ein Grund dafür, wieso ich das hier schreibe. Ich will einen von vielen Wegen aufzeigen und anderen zu verstehen geben, nur weil es an einer Stelle Probleme gibt, muss nicht alles schlecht sein und auch andere haben Probleme, welche sie meistern konnten.

Als weiteres Detail, weswegen ich mit allem relativ gut klarkomme ist, dass ich seltsamerweise relativ wenig Hass direkt abbekomme im Internet. Das Internet ist wichtig, damit sich die queeren Menschen untereinander vernetzen können und Twitter ist dafür eine recht beliebte Plattform. Viele die ich kenne, bekommen trotz tausender Blocks, Tag täglich Hass ab. Obwohl ich, so gut es geht, diesen Personen beistehe und auch selbst versuche mein Umfeld zu informieren und aufzuklären, habe ich (glücklicherweise) erstaunlicherweise bislang kaum Hass abbekommen. Ein Punkt, der hilft, mit allem klarzukommen, denn je mehr Hass, umso schlechter kommt man mit allem klar.

Wie ist der aktuelle Zustand bei mir?

Körperlich:
Nach nun etwa 5 Monaten mit der Hormontherapie (HRT), habe ich einen ziemlich kleinen Oberbau bekommen, meine körperliche Kraft hat etwas nachgelassen. Bedeutet früher konnte ich 40 Kg schwere Kisten (mit Mühe) bewegen, mittlerweile empfinde ich schon 30 Kg schwere Kisten als anstrengend. Stärker macht es sich jedoch bei der Ausdauer bemerkbar. Ich schaffe es nur noch ein paar Minuten, mit meinem Hund intensiv zu spielen, dann bin ich schon aus der Puste.

Psychisch:
Bei der HRT besteht die Gefahr, dass sich Depressionen entwickeln könnten, welche sogar so weit steigen könnten, dass man Selbstmordgefährdet ist. Dies hat sich glücklicherweise bei mir nicht eingestellt. Bin zwar ein bisschen öfter mies gelaunt und deprimiert, kann aber auch am aktuell ziemlich trüben Wetter liegen.
In diesem Bereich bin ich also stabil und mir geht es da soweit gut.

Mental:
Hier ist die Sache schon etwas anders. Am Anfang der HRT hatte ich häufiger Tage, an denen ich grundlos hätte weinen können, das hat sich mittlerweile aber weitestgehend wieder gelegt. Dafür bin ich allgemein näher am Wasser gebaut. (Habe Angst einen bestimmten Anime zu sehen, da ich dieses Mal bestimmt bei einer bestimmten Szene losheulen werde. ^^)
Was als Single jedoch einschneidender sein dürfte, ich bin deutlich kuschel bedürftiger geworden. Als Ausgleich dafür ist jedoch mein körperliches Verlangen fast bei 0. Ich kann mich zwar immer noch entsprechend stimulieren, aber das eigentliche Bedürfnis danach ist aktuell nicht mehr vorhanden. Nach der GaOP und dem einhergehenden Absetzen eines bestimmten Medikamentes sollte sich das aber eigentlich wieder geben.

Mit dem bisherigen ist mein Weg jedoch noch nicht vorbei. Was erwartet mich also noch in Zukunft?

-Die GaOP
-Logopädie für die Stimme
-Brustaufbau (Ich gehe nicht davon aus, dass ich auf natürliche weiße eine Oberweite bekomme, mit der ich mich wohlfühle.)

Ich hoffe, ich konnte einen weiteren Einblick in das Leben einer Transperson bringen. Sollte jemand Fragen haben oder Hilfe bei etwas benötigen, dann darf mich diese Person gerne anschreiben und ich versuche so gut es geht zu helfen.

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